Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit. Und sie verändert die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Arbeitsprozesse organisieren, tiefgreifend. Neue Geschäftsmodelle entstehen, Wertschöpfungsketten bilden sich neu, die Innovationszyklen beschleunigen sich. Während immer mehr Traditionsfirmen in die Krise geraten, erobern Wettbewerber mit hohem Digitalisierungsgrad Marktanteile. Das belegen auch zahlreiche Untersuchungen und Umfragen. Als Beispiel sei hier eine Studie der Beratungsgesellschaft A.T. Kearney von 2015 genannt, laut der Unternehmen mit stark digitalisiertem Vertrieb beim Umsatz rund doppelt so schnell wachsen wie der Durchschnitt.
Für die Wirtschaft hierzulande ist die Digitalisierung von besonderer Bedeutung. Deutschland ist ein Hochtechnologiestandort, in dem Unternehmen von ihrer Innovationskraft leben. Leider rangiert Deutschland – und auch dieser Befund ist durch viele Studien gedeckt – bei der digitalen Reife nur im Mittelfeld. So landete die Bundesrepublik beim „Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft“, den die EU-Kommission jedes Jahr veröffentlicht, 2017 und 2018 im EU-Vergleich nur auf dem 14. Platz. Viele heimische Unternehmen tun sich schwer, ihre digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Doch was versteht man überhaupt darunter?
1. Kurze Zusammenfassung für eilige Leser
Wer die digitale Transformation des eigenen Unternehmens richtig umsetzt, kann dadurch Umsatz und Gewinn signifikant steigern. Doch ist damit mehr als der Einsatz neuer Hard- und Software gemeint. Vielmehr hat die digitale Transformation weitreichende Auswirkungen auf alle Geschäftsprozesse. Sie ist nicht nur ein Weg, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen, sondern umfasst auch die Entwicklung neuer Produkte und Erlösmodelle.
- Der Hochtechnologiestandort Deutschland ist bei der Digitalisierung nur Mittelmaß.
- Während Zukunftstechnologien wie maschinelles Lernen oder Industrie 4.0 noch in den Anfängen stecken, sorgt neue Firmensoftware schon heute für einen Digitalisierungsschub in Betrieben.
- Jedes Unternehmen, das seine digitale Transformation anpacken will, muss zuerst die Ziele dieser Transformation definieren und eine sinnvolle Strategie ausarbeiten.
- Langfristig werden sich nur Firmen behaupten können, die flexibel und agil auf Marktveränderungen reagieren.
- Die digitale Transformation hat einschneidende Auswirkungen auf die Organisation, die Mitarbeiterführung und die Kultur eines Betriebs und verlangt auch nach einem neuen Führungsstil. Man spricht auch von Digital Leadership.
- Das Internet verändert das Kundenverhalten fundamental, worauf Marketing, Vertrieb und Kundenservice reagieren müssen. Inbound Marketing ist ein erprobtes Konzept, um die digitale Transformation kundenseitiger Geschäftsbereiche wirksam anzugehen.
- Laut John P. Kotter scheitern 70 Prozent aller Transformationsvorhaben in der Anfangsphase. Sein 8-Stufen-Modell hilft, Barrieren abzubauen und Change-Projekte erfolgreich durchzuführen.
- Den Mittelstand stellt die Digitalisierung vor große Herausforderungen.
2. Was ist Digitale Transformation? Eine Definition
„Der Begriff Digitale Transformation bezeichnet erhebliche Veränderungen des Alltagslebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Verwendung digitaler Technologien und Techniken sowie deren Auswirkungen“, heißt es in der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik der Universität Potsdam. Dabei bezieht sich der Ausdruck insbesondere auf den digitalen Wandel einzelner Unternehmen. Hier führt der Einsatz digitaler Technologien langfristig zu beträchtlichen Veränderungen in allen Geschäftsprozessen. Organisationsstrukturen, Mitarbeiterführung und Unternehmenskultur wandeln sich. Neue Produkte und Erlösmodelle entstehen.
3. Digitalisierung oder digitale Transformation – wo liegt der Unterschied?
In der öffentlichen Debatte werden die Begriffe Digitalisierung und digitale Transformation oft vermischt, wobei die Bezeichnung Digitalisierung älter und vieldeutiger ist. Sie kann laut der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik die Überführung analoger Informationen und Prozesse in eine digitale Form meinen, aber auch die Übertragung menschlicher Aufgaben an Computer. Meist werden Digitalisierung und digitale Transformation aber synonym verwendet, wobei die beiden Begriffe tendenziell in unterschiedlichen Zusammenhängen auftauchen.
In der politischen und gesellschaftlichen Debatte über den Siegeszug digitaler Technologien und seine Folgen für die Arbeitswelt, die Beschäftigung oder den Alltag der Bevölkerung ist eher von „Digitalisierung“ die Rede. In Bezug auf einzelne Unternehmen oder Branchen fällt eher der Begriff „digitale Transformation“.
4. Digitale Technologien verändern die Wirtschaft
Zahlreiche Studien belegen, dass bei Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen, Umsatz und Gewinn langfristig schneller als beim Durchschnitt steigen. So zeigt eine Studie der Rheinischen Fachhochschule Köln und des Beratungsunternehmens Mind Digital von 2018, dass mittelständische Unternehmen mit hoher digitaler Reife jährlich rund 13 Prozent im Umsatz und fast 20 Prozent beim Gewinn wachsen. Eine MIT-Studie von 2012 hat ergeben, dass digital führende Unternehmen einen höheren Umsatz (+9%) und einen höheren Gewinn (+26%) als der Branchendurchschnitt erzielen. Auffällig ist, dass sich laut beider Studien der Gewinn schneller vergrößert als der Umsatz, was darauf schließen lässt, dass ein hoher Digitalisierungsgrad auch die Marge eines Unternehmens verbessert.
Gewinnern der Digitalisierung stehen Unternehmen gegenüber, die sich nicht schnell genug an neue Marktgegebenheiten anpassen und die Potenziale der Digitalisierung nicht ausschöpfen. Viele dieser Unternehmen geraten früher oder später in die Krise. Teilweise trifft der Wandel auch ganze Branchen wie Medien, Einzelhandel oder die Bekleidungsindustrie. Aufgrund der tiefgreifenden Umwälzungen, die die Digitalisierung verursacht, vergleichen Experten sie mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. So wie damals neue Herstellungs- und Transporttechniken weitreichende gesellschaftliche Umbrüche nach sich zogen, hat auch die Digitalisierung heute einen massiven gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Wandel zur Folge.
Eine wichtige Rolle spielen dabei Zukunftstechnologien, deren Erforschung und Anwendung zwar noch in den Anfängen steckt und die das Potenzial besitzen, die Wirtschaft über Branchen hinweg zu verändern. Dazu gehören das maschinelle Lernen, bei dem selbstlernende Algorithmen eigenständig Daten analysieren, die Blockchain, eine dezentrale Datenbank-Technologie, der 3D-Druck, neue Visualisierungsverfahren wie Virtual und Augmented Reality, der neue Mobilfunkstandard 5G oder Big Data, die Auswertung riesiger und hoch komplexer Datenpakete. Aber auch das autonome Fahren, Elektromobilität und die Industrie 4.0 werden zu den Zukunftstechnologien gezählt.
Andere Technologie-Trends verändern die Art und Weise, wie Unternehmen wirtschaften, schon heute. Als Beispiel sei hier der Bereich Unternehmenssoftware genannt. Lösungen zur Planung, Steuerung und Durchführung inner- und überbetrieblicher Geschäftsprozesse gewinnen seit Jahren weltweit an Beliebtheit. Sie helfen Unternehmen dabei, sich effizienter zu organisieren, Standardaufgaben zu automatisieren, den Datenaustausch zwischen Mitarbeitern und Unternehmensbereichen zu vereinfachen und Geschäftsdaten zu analysieren.
Wichtig sind unter anderem:
- Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) zur bereichsübergreifenden Ressourcenplanung
- Warehouse-Management-Systeme (WMS-Systeme) zur Verwaltung von Lagern
- Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM-Systeme) für die IT-gestützte Planung und Steuerung von Kundeninteraktionen
- Supply-Chain-Management-Systeme (SCM-Systeme) für die unternehmensübergreifende Gestaltung von Lieferketten
- Product-Lifecycle-Management-Systeme (PLM-Systeme) für die Verwaltung und Steuerung von Produktdaten und -prozessen im Laufe eines Produktlebenszyklus
Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich Cloud-Lösungen, bei denen Unternehmen die nötige Hardware-Infrastruktur nicht selbst aufbauen und vorhalten müssen, sondern Anwendungen über das Internet nutzen. Das hat unter anderem den Vorteil, dass hohe Anfangsinvestitionen und Wartungskosten entfallen. Die Cloud ist ein weiterer Treiber, der die Digitalisierung beschleunigt.
5. Digitale Transformation: Ziele und Strategie
Die Digitalisierung ist Herausforderung und Chance zugleich. Einerseits bringt sie die Unternehmen in Bedrängnis, die nicht über die nötigen Strukturen verfügen, um sich Marktveränderungen schnell und flexibel anzupassen. Andererseits birgt sie Wachstumspotenziale für jene Firmen, die ihre digitale Transformation konsequent umsetzen.
Das gelingt aber nur dann, wenn Unternehmen diese ganzheitlich angehen. Langfristig ist die digitale Transformation ein Prozess, der alle Geschäftsbereiche von der Produktentwicklung über die Herstellung bis zu kundenseitigen Abteilungen wie Marketing oder Vertrieb betrifft. Unternehmen, die den Einsatz digitaler Technologien nur als Möglichkeit sehen, die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen, verkennen das Veränderungspotenzial des digitalen Wandels. Langfristig wichtiger sind Strukturen, die es Unternehmen ermöglichen, schnell und flexibel neue Produkte und Erlösmodelle zu entwickeln.
„Das übergeordnete Ziel ist das lernende, agile Unternehmen, das sich einer wandelnden Umwelt kontinuierlich anpassen kann“, heißt es im „Industrie 4.0 Maturity Index“, den die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) 2017 als Leitfaden für Unternehmen veröffentlicht hat. Mit Agilität ist dabei die Fähigkeit gemeint, „in Echtzeit Veränderungen im Unternehmen vornehmen zu können“. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Software-Entwicklung, wo sich angesichts immer komplexerer Softwareprojekte in den 1990er Jahren Organisationsstrukturen mit flachen Hierarchien, kurzen Entscheidungswegen und der Arbeit in iterativen, inkrementellen Verbesserungsschleifen durchsetzten. Agile Unternehmen handeln flexibel und proaktiv und versuchen künftige Marktveränderungen vorherzusehen und vorwegzunehmen.
Eine wichtige Ressource, die sich Unternehmen dabei zunutze machen können, ist der Datenschatz, der durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse entsteht. Daten, so heißt es, sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Durch die digitale Abbildung von Geschäftsprozessen können Unternehmen in nie da gewesener Weise die Arbeit von Mitarbeitern, Maschinen und ganzen Abteilungen und die Interaktion mit Kunden oder Geschäftspartnern durchleuchten – und auf dieser Grundlage Abläufe optimieren.
In Bereichen mit Kundenkontakt wie Marketing oder Kundenservice ist es dadurch besser denn je möglich, die Bedürfnisse der Kunden zu analysieren. Digitale Vorreiter wie Amazon nutzen diesen Vorteil, um ihre Geschäftsprozesse perfekt auf ihre Kunden auszurichten.
Da die digitale Transformation eine unternehmensstrategische Aufgabe ist, gehen immer mehr Unternehmen dazu über, die Verantwortung dafür auf höchster Führungsebene zu verankern und einen Vorstand mit der Aufgabe zu betrauen, die digitale Transformation abteilungsübergreifend zu steuern. Die Einsetzung eines Chief Digital Officer (CDO) setzt ein Zeichen an Führungskräfte und Mitarbeiter, dass die Unternehmensführung der digitalen Transformation hohe Priorität einräumt.
6. Digital Leadership: Eine Frage der Mitarbeiterführung
Digitale Transformation ist nicht nur ein technologisches Thema, sondern hat weitreichende Folgen für die Mitarbeiter, die Organisation und die Kultur eines Unternehmens. Damit einher geht ein Wandel des Führungsverständnisses. Man spricht auch von Digital Leadership, also einem Führungsstil für das digitale Zeitalter.
Dieses Zeitalter zeichnet sich dadurch aus, dass Märkte ständig in Bewegung sind. Um diese Situation zu umschreiben, sprechen Experten auch von VUCA. Das Akronym steht für „Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity“. Zu Deutsch: Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Ein weiteres Akronym hilft dabei, die Führungsprinzipien, die dieser Situation angemessen sind, zu beschreiben. Es heißt VOPA+ und stammt vom Digitalexperten Wilhelm Buhse. VOPA steht für „Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität“. Das Plus versinnbildlicht das nötige Vertrauen als Grundvoraussetzung für die anderen Prinzipien. Beschrieben wird damit ein Führungsstil, der die Eigenständigkeit der Mitarbeiter fördert, sie motiviert, ihnen Orientierung gibt und sie ermutigt, selbstbestimmt zu arbeiten. Statt zu delegieren, verstehen sich digitale Führungskräfte als kooperative Partner, die sich mit Mitarbeitern beraten und von ihnen lernen. Dieser Austausch ist unabdingbar, um nachhaltige Strategien zu entwickeln.
Der digitale Führungsstil geht mit offenen Arten der Arbeitsorganisation einher, die sich durch flache Hierarchien und die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg auszeichnen. Um die Produktentwicklung zu beschleunigen, sind Strukturen gefragt, in denen Teams flexibel, schnell und eigeninitiativ handeln können. Manche Unternehmen setzen auf Ausgründungen oder Kooperationen mit Start-Ups, um flexible Arbeitsstrukturen auszutesten. Doch auch innerhalb großer Unternehmensstrukturen ist es möglich, diese Freiräume zu schaffen.
So kann man zum Beispiel beim Projektmanagement auf agile Organisationsformen wie Scrum setzen. Scrum stammt ursprünglich aus der Software-Entwicklung, wird aber heute in vielen Bereichen angewandt. Bei Scrum organisiert sich ein Team unter der Moderation eines Scrum Managers selbst und entwickelt ein Produkt in kleinen, inkrementellen Schritten weiter. Statt ein Projekt von Anfang bis Ende durchzuplanen, arbeiten Scrum-Teams in ständigen Optimierungsschleifen, was es ermöglicht, die Planung flexibel zu gestalten. Prototypen werden häufig getestet und die Entwicklung entsprechend angepasst. Durch dieses Vorgehen ist es möglich, schnell aus Fehlern zu lernen und auf neue Anforderungen zu reagieren.
Um solchen flexiblen Arbeitsstrukturen Raum zu geben, ist eine Unternehmenskultur nötig, die von der Lust am Experiment und der Offenheit für Veränderungen geprägt ist. Mitarbeiter trauen sich, auch einmal Fehler zu machen, und Querdenker, ihre Meinung zu sagen.
7. Digitale Transformation in Marketing, Vertrieb und Kundenservice im B2B-Bereich
Der Siegeszug des Internet in den letzten 20 Jahren hat auch das Verhalten der Kunden verändert. Sie vergleichen im Internet Preise und Konditionen und informieren sich über die Vor- und Nachteile einzelner Produkte. Das gilt nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Einkäufer im B2B-Geschäft. Nach einer Studie von Roland Berger und Google sind 57 Prozent des Kaufprozesses im B2B-Umfeld bereits abgeschlossen, bevor ein Einkäufer einen Vertriebsmitarbeiter kontaktiert. 90 Prozent der B2B-Einkäufer suchen nach Schlagworten im Internet und 70 Prozent schauen Videos, um sich vor einem Kauf zu informieren. Gleichzeitig hat ihre Loyalität zu bestimmten Marken und Unternehmen abgenommen. Da sich die Produkte in Qualität und Beschaffenheit immer mehr angleichen, gewinnt die Interaktion mit dem Kunden immer mehr an Bedeutung. Gerade in Unternehmensbereichen mit direktem Kundenkontakt führt die Digitalisierung deshalb zu einschneidenden Veränderungen.
Im Marketing nimmt die Bedeutung des Internets immer mehr zu. Zugleich führt die Digitalisierung zu einem Strategiewandel. Weil traditionelles Push Marketing (Bannerwerbung, Werbevideos etc.) im Internet immer weniger zum Erfolg führt, setzen Unternehmen verstärkt auf Pull-Strategien, bei denen man potenziellen Kunden kostenlose Inhalte wie Erklärvideos oder Blogbeiträge anbietet, die nützlich sind und ihr Interesse wecken (Content Marketing). Durch diese Inhalte können Firmen potenzielle Kunden anlocken (Lead Generation) und ihre Kaufbereitschaft steigern (Lead Nurturing). Gleichzeitig hilft die Analyse der Marketingdaten, sich auf interessierte und zahlungskräftige Kunden zu konzentrieren und den geeigneten Zeitpunkt für die Kontaktaufnahme zu bestimmen (Lead Scoring). Das Konzept des Inbound Marketings, das auf das amerikanische Software-Unternehmen HubSpot zurückgeht, ist ein effektiver Weg, diesen Ansatz zu systematisieren.
Der Vertrieb profitiert von der Digitalisierung des Marketings. Im Idealfall sorgt es für einen wachsenden Strom an kaufbereiten Kunden, mit denen der Vertrieb in Kontakt treten kann. Die Kaltakquise verliert an Bedeutung. Gleichzeitig helfen die Daten aus dem Marketing Vertriebsmitarbeitern, das Umsatzpotenzial eines Kunden einzuschätzen und Kundeninteraktionen vorzubereiten, was zu höheren Abschlussquoten führt. Die Automatisierung von Standardaufgaben spart Zeit. Neue Kanäle wie Online-Shops generieren zusätzlich Umsätze. Wichtig ist dabei ein einheitliches, abgestimmtes Auftreten über unterschiedliche digitale und nicht digitale Kanäle hinweg (Omni-Channel-Ansatz).
Auch die Rolle des Kundenservice verändert sich. Gerade in Zeiten, in denen die Loyalität der Kunden abnimmt, wird er zum Differenzierungsmerkmal, mit dem Unternehmen Bestandskunden langfristig an sich binden. Chatbots und virtuelle Berater können Service-Teams bei der Bearbeitung von Standardfragen entlasten. Steigt die Zufriedenheit von Bestandskunden, erhöht dies auch die Wahrscheinlichkeit, durch Mundpropaganda neue Kunden zu gewinnen. Die Daten aus dem Kundenservice helfen der Entwicklungsabteilung, Produkte an Kundenbedürfnisse anzupassen. Zudem kann ein guter Kundenservice den Vertrieb dabei unterstützen, Cross- und Upselling-Potenziale zu heben.
8. Roadmap: Digitale Transformation erfolgreich gestalten
Beratungsunternehmen und Digitalagenturen können Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen und ihnen helfen, sie zu planen und zu implementieren. Man spricht hierbei auch von Change- oder Veränderungsmanagement, wozu alle Aufgaben und Maßnahmen gehören, die zur ganzheitlichen Transformation eines Betriebs beitragen.
Zu Anfang steht in der Regel die Analyse des Status Quo. Um ihn zu bestimmen, werden zum Beispiel Mitarbeiter befragt und Arbeitsprozesse analysiert. Es geht darum, die Ressourcen eines Unternehmens festzustellen und den Digitalisierungsgrad der einzelnen Unternehmensbereiche zu bestimmen, aber auch, die Organisation und die Kultur eines Unternehmens im Hinblick auf das Vorhaben einzuschätzen und mögliche Blockaden bei der Umsetzung zu identifizieren.
Daraus abgeleitet können Experten gemeinsam mit Führungskräften die Transformationsziele und eine dazu passende Strategie entwickeln. Sie sind die Grundlage für eine Roadmap, in der erforderliche Maßnahmen beschrieben, nach Nutzen und Dringlichkeit bewertet und zeitlich organisiert werden. Da die Implementierung selten linear verläuft, bedarf sie der regelmäßigen Prüfung, Bewertung und Anpassung.
John P. Kotter, emeritierter Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School, hat herausgefunden, dass 70 Prozent aller Transformationsprojekte schon in der Anfangsphase scheitern. Vor allem der Widerstand der Mitarbeiter und das Zurückfallen in alte Muster macht Kotter als Gründe aus, weshalb die Mehrzahl solcher Vorhaben fehlschlagen. In seinem Management-Ratgeber „Leading Change“ entwickelt Kotter ein 8-Stufen-Modell, das die Phasen eines Veränderungsprozesses beschreibt. Es soll Führungskräfte das Verständnis dafür erleichtern, dass Unternehmen der Wandel nur dann gelingt, wenn alle Stakeholder ihn mittragen:
- Ein Gefühl für Dringlichkeit erzeugen: Steckt das Unternehmen in einer Krise, wird es leicht sein, Stakeholder davon zu überzeugen, dass der Wandel notwendig ist. Besser ist es natürlich, wenn es erst gar nicht dazu kommt. Mit Meetings, Workshops und Reden kann man dann versuchen, Mitarbeiter von der Wichtigkeit des Transformationsprojekts zu überzeugen.
- Eine Führungskoalition aufbauen: Die zweite wichtige Voraussetzung ist die Schaffung eines Teams aus unterschiedlichen Abteilungen und mit unterschiedlichen Kompetenzen, das den Wandel vorantreibt. Wichtig ist, dass auch Führungskräfte mit unternehmensweitem Einfluss zum Team zählen.
- Vision und Strategie entwickeln: Vision und Strategie sind der Kern jedes Transformationsprojekts. Es ist wichtig, sie sorgfältig vorzubereiten und die Mitarbeiter davon zu überzeugen.
- Die Vision des Wandels kommunizieren: Es reicht nicht, Vision und Strategie nur einmal vorzustellen. Vielmehr muss das Kernteam die Mitarbeiter immer neu auf die Strategie einschwören. Je öfter, desto besser.
- Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen: Nur wenn alle Mitarbeiter mitziehen, kann der Wandel gelingen. Doch brauchen sie dafür auch Ressourcen, Freiräume und das Vertrauen der Führung.
- Schnelle Erfolge erzielen: Um Mitarbeiter zu motivieren und zu zeigen, dass es möglich ist, die Transformation erfolgreich zu implementieren, empfiehlt es sich, zuerst schnell erreichbare Zwischenziele anzugehen und ihr Erreichen angemessen zu würdigen, so dass bestenfalls eine sich selbst verstärkende Dynamik entsteht.
- Erfolge konsolidieren und Veränderungen weitertreiben: Schnelle Erfolge sind gut, tiefgreifende Maßnahmen aber benötigen Zeit und Durchhaltevermögen. Deswegen ist es wichtig, bisherige Schritte immer wieder zu analysieren und daraus für die Zukunft zu lernen. Mit der Zeit entstehen auch neue Ideen, die ins Projekt einfließen können.
- Neue Ansätze in der Kultur verankern: Erst, wenn sich die Kultur eines Unternehmens verändert und die neuen Maßnahmen im Alltag angekommen sind, ist die Transformation tatsächlich gelungen.
Kotters Modell macht deutlich, wie ein Transformationsvorhaben idealtypisch verläuft. Silo-Denken, Angst vor Entlassungen oder die Verteidigung angestammter Privilegien können jedoch zu Blockaden führen, die das Team herausfordern und das Gelingen infrage stellen. Je mehr es Führungskräften gelingt, Mitarbeiter einzubinden und sie zu motivieren, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Change-Projekt Erfolg hat.
9. Fazit und Trends
Besonders den Mittelstand stellt die Digitalisierung vor große Herausforderungen. Aufgrund ihrer Unternehmensgröße verfügen viele kleine und mittlere Unternehmen nur begrenzt über die nötigen finanziellen Mittel, um die digitale Transformation schnell voranzutreiben. So kommt eine bereits 2018 veröffentlichte Studie des Branchenverbandes Bitkom zu dem Ergebnis, dass das Bewusstsein für die Chancen der Digitalisierung bei kleinen und mittleren Betrieben zwar hoch ist, doch nur wenige in digitale Geschäftsmodelle investieren. Je kleiner das Unternehmen, desto mehr hängt es bei der digitalen Transformation hinterher. Gerade für diese Unternehmen ist es wichtig, gangbare Strategien zu entwickeln, die digitale Transformation ohne explodierende Kosten umzusetzen.